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Neue Regelung zur Baumhaftung ab 1. Mai 2024

Mit dem Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 (HaftRÄG 2024) vom 17.04.2024 wurde eine eigene Bestimmung über die schadenersatzrechtliche Haftung für Schäden, die durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen verursacht werden (sog. Baumhaftung), in das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) eingeführt. 

von Mag. Maša Schulze-Bauer

 

Bisher hat die Rechtsprechung für solche Schadensereignisse die Bestimmung des § 1319 ABGB über die Bauwerkehaftung analog herangezogen, welche eine Beweislastumkehr vorsieht. Demzufolge musste der Baumhalter wie ein Besitzer des Gebäudes beweisen, dass er „alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe“, widrigenfalls war er schadenersatzpflichtig.

Durch diese Haftungsverschärfung kam es häufig zu unnötigem Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen.

Dem wollte der Gesetzgeber durch die neue Regelung vorbeugen.

 

Der neue § 1319b ABGB lautet wie folgt:

„(1) Wird durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen ein Mensch getötet oder an seinem Körper oder seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet der Halter des Baumes für den Ersatz des Schadens, wenn er diesen durch Vernachlässigen der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes verursacht hat.

(2) Die Sorgfaltspflichten des Baumhalters hängen insbesondere vom Standort und der damit verbundenen Gefahr, von der Größe, dem Wuchs und dem Zustand des Baumes sowie von der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen ab. Besteht an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes ein besonderes Interesse, wie etwa bei einem Naturdenkmal, in Nationalparks oder sonstigen Schutzgebieten oder wegen der Bedeutung des Baumes für die natürliche Umgebung, so ist das bei der Beurteilung der dem Baumhalter zumutbaren Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen.

(3) Auf einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung sind die allgemeinen Regelungen über die Beweislast anzuwenden.

(4) § 176 Forstgesetz 1975 bleibt unberührt.“

 

Gegenstand der neuen Regelung sind nur jene Schäden, die sich durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen – außerhalb von Wäldern - ereignen. Für Schadensereignisse in den Wäldern gilt nach wie vor die Sonderbestimmung des § 176 Forstgesetz.

Der Halter des Baumes wird in der Regel der Eigentümer oder auch der Pächter des Grundstückes sein, auf dem sich der Baum befindet.

In § 1319b ABGB werden lediglich die allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts für die typischen Schäden durch Bäume konkretisiert. Es handelt sich dabei also um eine „klassische“ Verschuldenshaftung ohne Beweislastumkehr (Abs. 4). Das bedeutet, dass der Geschädigte bei Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Baumhalter den Beweis dafür zu erbringen hat, dass der Baumhalter die erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes vernachlässigt hat.

Weiters handelt es sich um eine Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Haftungsgrund ist dabei die Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes (Abs. 1).

Kriterien für das Ausmaß der Sorgfaltspflichten werden im Absatz 2 des § 1319b ABGB beispielsweise genannt (Standort, Größe, Wuchs, Zustand des Baumes). Welche Maßnahmen zur Schadensvorkehrung in welcher Intensität und in welcher Frequenz vom Baumhalter verlangt werden können, hängt sehr wesentlich auch von der Zumutbarkeit der Maßnahmen ab, insbesondere von dem mit ihnen verbundenen Aufwand. Unter dem Aspekt der Zumutbarkeit ist zwischen der öffentlichen Hand als Baumhalter und privaten Baumeigentümern oder etwa zwischen großen Gemeinden mit entsprechenden Ressourcen und kleinen, wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Landgemeinden zu differenzieren, wie dies in der Rechtsprechung beispielsweise beim Umfang der Streupflicht auf Straßen (OGH 8 Ob 150/78 ZVR 1979/316), andeutungsweise aber selbst auch bei der Haftung für Bäume geschehen ist (OGH 5 Ob 564/85 EvBl 1987/192). Hier sei auch auf den Aspekt der Eigenverantwortung hingewiesen. Es kann nämlich vom Einzelnen erwartet werden, dass er sich bei erkennbaren Gefährdungssituationen, wie zum Beispiel Starkwind, Sturm oder Schneedruck, von hohen Bäumen fernhält.

Es handelt sich dabei um eine Ausprägung der Rechtsfigur der „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ (wie sie im Übrigen auch in der Mitverschuldensregelung des § 1304 ABGB zum Ausdruck kommt). Im Rahmen der Baumsicherungspflicht muss der Baumhalter nicht auch solche Sicherungsmaßnahmen ergreifen, die auch in diesen Situationen erhöhten Risikos einen Schutz vor Schäden aus Baumstürzen oder Astbrüchen böten. Eine solche Sorgfaltsanforderung würde nämlich die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten.

Die neue Gesetzesbestimmung trat mit 1. Mai 2024 in Kraft und ist auf Schadensereignisse anzuwenden, die nach dem 30. April 2024 eintreten (§ 1503 Abs. 25 ABGB).

Angesichts der Bedeutung, welche Bäumen für Mensch, Tier und eine gesunde Umwelt zukommt, ist die neue baum(halter)freundlichere Haftungsregelung jedenfalls begrüßenswert. Wie diese in allen Details gehandhabt wird, wird aber wohl erst die Praxis in den kommenden Jahren zeigen.

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